Musikalische Sozialisation - HB Pt.2



 Erste Band

 

Bremen Nord, 1992ff. Ich inserierte bei TopSound. Das war der Anlaufpunkt, wo die Musiker der Rockbands aus Nord ein und aus gingen. Große Internetkaufhäuser waren Zukunftsmusik und wir freuten uns über persönliche Begegnungen, Kaffee und einen Plausch.

Der Musikalienhandel in der Sagerstraße - Ihr erinnert Euch: Nase platt drücken am Schaufenster wegen Drumset - war eher von der Sorte "für die lieben Eltern".

 

Auf das Inserat meldete sich ein Gitarrist. Nils (Einflüsse von Overkill, Metallica, Sepultura, ...). Wenige Zeit später kam Günther (Einflüsse von Rush, Police, Marillion, Fish, ...) dazu. Sänger. Schrieb seine eigenen Texte. Mit Günther verbindet mich bis heute eine enge Freundschaft. Er ist Schauspieler geworden und heute Familienvater. Letzteres kommt mir bekannt vor. ;)

"Bonehouse" nannten wir die Band und ich malte mit Edding auf eines dieser weißen American Shirts ein entsprechendes Knochen-Logo in Haus-vom-Nikolaus-Form drauf. Was Bonehouse synonym auch noch bedeuten konnte, erfuhr ich erst später und war einmal mehr begeistert vom Namen. Sollte ich jemals im Rotlichtmilieu ein entsprechendes "Lokal" eröffnen: Günther, Nils..., is das ok, wenn ich den Laden so nenne?

 

Matthias, der Schlagzeuger, hatte keinen Bock mehr auf den Honorarjob im Freizi und ich wurde gefragt. Aus den anfänglichen Vorbehalten der Besucher und der abwartenden Distanz der Sozialpädagogen des Hauses mir gegenüber wurde Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung. Ich übernahm von da an für einige Jahre die Funktion des Schlagzeugwarts und gestaltete einmal die Woche ein offenes Angebot zum Mucken und Trommeln für Interessierte.

Das ging von '93 bis '98. Ziemlich ausdauernd. Ich war da gern. Mit den Besuchern verstand ich mich immer besser. Ich ging da nun öfter auch als Gast hin, verbrachte dort einen Teil meiner Freizeit, nahm als Mitglied der Belegschaft an Festen und Feiern teil, besuchte Bands beim Proben, hörte zu oder probte eben mit "Bonehouse" dort. Die Verdienste durch den Honorarjob flossen in Musikalien und Bier.

 

Irgendwann in der Zeit hatten wir Aussicht auf einen Trommler, der einfach noch was besser war als ich. Eike. Ein Typ mit Vespa Roller. "Was soll das?", dachte ich. Roller, Scooter..., pah! Eike wurde später in der SEK II ein wichtiger Wegbegleiter. Von wegen "Pah!".

Was soll's? Uns fehlte der Basser bei Bonehouse. Das war wohl so um ´93 rum. Also wurde ich Bassist. Erst nur aus der Not und ein wenig enttäuscht über den Rollenwechsel. Nach und nach leckte ich jedoch immer mehr Tieftonblut.

Das Drumset blieb zwar meine heimliche Liebe; genau genommen ist es bis heute so. In unserem aktuellen Proberaum steht jetzt mein eigenes Kit.

Am Bass entwickelte ich mich damals allerdings so schnell und gut, dass ich investieren wollte. Finanziell und zeitlich. Auch hier zeigten mir die ersten Licks und Basslines ältere Besucher und Mitglieder weiterer Bands des Freizis und Mucker aus den Weserhallen.

 


Die Internetrecherche zu meinen ersten Bässen war so halbgut. Wie rückblickend einige der Instrumente auch. :)

Immerhin probierte ich rum, ließ mich beeinflussen und entwickelte über die unbeschriebene Offenheit des Neulings so etwas wie 'ne eigene musikalische Meinung, Stil und 'ne persönliche Richtung.

(Bildquellen siehe Einzelbilder)


Der erste Bass

 

Im Grunde ein gesondertes Kapitel wert. Wird es sicher auch mal geben demnächst. Ich schiebe dieses kurze Intermezzo zum ersten Bass trotzdem jetzt ein, da es gerade so prima paßt.

 

Mein erster Bass war ein Billigprodukt, der Korpus aus mehreren Schichten Sperrholz. Dunkelgrün lackiert, Kurzhals - also ein Shortscalebass* - und teilweise sanierungsbedürftig. Fabrikat Dylon. Ich habe mal gegoogelt. Keine Chance. Ich finde nicht mehr viel dazu. Ein Noname quasi. Leider existieren keinerlei Photos von meinem ersten Bass mehr, geschweige denn das Instrument selber.

Schwarz lackierte Hardware, die Shapings auf Metalstyle gemacht. Vergleichsoptionen hatte ich allenfalls auf Photos in den einschlägigen Fachblättern. Geübt hatte ich bisher auf einer ranzigen Precisionbasskopie im Freizi. Die Saiten auf dem Paddel waren so durch, dass James Jamerson hätte einpacken können was den Zustand der Saiten seines Basses angeht.

 

Den Dylon-Bass schleppte Nils über einen privaten Kontakt seiner Eltern an, meine ich zu erinnern. Ich glaube, für 180DM habe ich den dann gekauft. Im Vorfeld allerdings bin ich mit dem Ding schnurstracks zu Top Sound und habe um Rat gebeten. Kaufen oder lassen?

Servet, Angestellter bei Top Sound hat sich meiner angenommen und den Bass beäugt: "Na ja, beinahe ein Totalschaden. Die Brücke löst sich vom Korpus. Brandgefährlich, oder willst Du, dass Dir die Finger abgesäbelt werden, Kai? Aber warte mal, ich kann was versuchen...".

 

Total nett und perspektivisch clever angestellt: seine Mühe um den halbrotten Bass war eine Investition in einen potentiellen Neukunden. Die Brücke wurde mit neuen Schrauben und Dübeln arretiert und mein erster Bass war einsatzbereit.

 

Ich würde in den nächsten Jahren noch weitere Bässe und Zeugs bei Top Sound ordern. Gut gemacht, Servet! :)

 

*Shortscalebässe haben eine Mensur von 762mm gemessen von den Auflagepunkten der Saiten (Brücke und Sattel). Longscalebässe sind der Standard und haben eine Mensur von 864mm.

Meine erste Bassschule war "Heavy Metal Bass" von Tom Pold. Die beigelegten Hörbeispiele waren auf so'ner labbrigen Folie gepresst. Ich stand von nun an öfter im elterlichen Wohnzimmer an der alten Phillipsanlage mit dem integriertem Dualplattenspieler und habe mir die Licks reingezogen.

Es war ein Anfang und ich funktionierte wie ein riesiger Schwamm. Alles rein, alles aufnehmen, alles verarbeiten.

 

Ich liebäugelte eine Weile mit dem Plec, da meine Vorbilder im nahen Umfeld alle mit Plektrum den Bass bearbeiteten, merkte aber schnell, dass mir das direkte Spiel mit dem Finger mehr lag, legte das Plec bei Seite und übte den Wechselschlag. Das ist bis heute so geblieben.

 

Mit Schulfreunden (hallo Tilmann!) traf ich mich ebenfalls zum Jammen und Raushören von Akkorden und Basslines, bis es dann eines Tages so weit war und sich eine zweite Bandoption bot. Mein Nachbar Bastian, ein Fantasy-, Rollenspiel- und Synthfreak, brachte mir die Musik von Mike Oldfield und Van Halen näher. Leider verwässert hier wieder mal die Erinnerung und ich kann Einzelheiten nicht mehr so genau erinnern. Auf jeden Fall war es auch die Zeit für Sci-Fi Filme, C64, Amiga500, die ersten Simulationen wie SimCity, Railroad Tycoon und Ballerspiele wie R-Type und Turricane. Zu Letzterem gab es sogar einen Soundtrack, der ziemlich angesagt war und bei mir neben Rock und Metal rauf und runter lief. Ebenso begeistert hat mich Eric Serras Soundtrack zu Atlantis, einer kunstvoll gefilmten Naturdoku, die durch den Einsatz von Serras Musik ein echtes Erlebnis war. Atlantis kam mir seltsam vertraut vor. Vielleicht weil ich einige Jahre zuvor mit meinem Vater "Im Rausch der Tiefe" von Luc Besson in einem Bremerhavener Programmkino gesehen habe und ich unweigerlich Parallelen knüpfte.

Dieses Programmkino befand sich im Columbus Center BHV und hat nach 42 Jahren Ende 2020 seinen Betrieb eingestellt. Ich behalte einige gute Besuche als kleiner Steppke in Erinnerung.

 

Auf jeden Fall mündete die Idee einer zweiten Band tatsächlich darin, dass wir uns einen eignen Proberaum leisten wollten. Ratet mal, wo wir gelandet sind?

In den Weserhallen, korrekt!

Im ersten Stock hatten wir neben einer Prog-Rock Band die Option auf einen trockenen und warmen Raum. Meine Connections über Matthias (Trommler aus dem Freizi Lüssum) und die regelmäßigen Besuche auf dem Gelände brachten uns den Zuschlag.

Zu unseren Proberaumnachbarn knüpften wir schnell Kontakt und freundeten uns an. Der Gitarrist stellte sich als Marco van Basten und der Basser als Yngwie vor. Nur Frank hieß Frank. Das ist bis heute so. :)

Das Prog-Rock-Trio spielte eine Wahnsinnsmischung aus Rainbow im Mix mit Zappa und irgend so'nem vertrackten Zeug a la Dream Theater. Harte Kost und mega ambitioniert.

Wann immer es sich ergab, hockten wir in den Probepausen zusammen, fachsimpelten oder quatschten über die Norder Szene oder erzählten uns lustige Geschichten. Zum Beispiel über unseren gemeinsamen Vermieter und Bewohner des Weserhallengeländes. Meine Güte, was gab der uns Gesprächsstoff! Stichwort Grünzeugs und so...

Eine herrlich verschrobene Kräuterrauchperspektive mischte sich mit Goaaussteiger-Attetüde und cleveren ..., mhhh, nennen wir es mal Geschäftsideen. Lassen wir das.

Eine Geschichte erlaube ich mir:

Besagter Vermieter und Betreiber der Weserhallen nutzte jede Gelegenheit, vorbeiziehende Musiker auf dem Gelände in ein Gespräch zu verwickeln. Die dauerten. Lange! Und es war oft schwer, einen passenden Absprung zu finden. Einmal, da ging es um Umwelt und Autos. Er fuhr so einen alten Mercedes / 8 ("Strich Acht"). Ein Diesel. Ein Oldtimer. Aus irgendwelchen Gründen hatte er den Eindruck, er müsse sich über seine Dreckschleuder rechtfertigen. Folgende Theorie hatte er parat: "Mein Wagen ist total umweltfreundlich. Von wegen KAT und so. Die Dieselpartikel sind so schwer, die gehen gar nicht in die Luft. Die bleiben gleich auf der Straße liegen." 

Jo, ich war kurz überrascht, die Überraschung schlug in Irritation um, kurz wollte ich widersprechen, ermahnte mich gottlob frühzeitig selber und unterließ jegliche Gegenrede. Ich zog es stattdessen vor, durch meine stumme Reaktion eine gewisse Zustimmung zu signalisieren. Das widerstrebte mir, aber ich wollte in den Proberaum und üben.

 

Der Basser "Yngwie" von Sleep Dirt besaß wohl mit als erster Musiker in Nord Amps und Boxen von SWR. Der heiße Scheiß. Einige Jahre später - in den Studentenjahren - war ich soweit und konnte mir das Zeugs selber leisten. Zu SWR gibt's im Blog sicher mal nen ganz eigenen Beitrag.

 

Mit Frank von Sleep Dirt - die Band gibt es in leicht veränderter Besetzung heute noch - habe ich den Kontakt vor einigen Monaten wieder aufgefrischt. Ebenso wie zu Ingo von Foolproof, einer Hardcore-Punk Band aus den 90ern. Die hatten sich im 1.OG im Freizi Lüssum eingenistet. Ingo ist überzeugter Tierschützer und Punk. Role, Olaf und Ingo waren für mich damals mit meinen blutjungen 15 Jahren der Inbegriff des Rock'n Roll. Olaf kleidete sich in engen, gestreiften Röhrenjeans und trug oft so'ne runde, rotgetönte Sonnenbrille. Er erinnerte mich immer an einen der Ramones. Role war mir von Anfang an sympathisch. Zurückhaltend, feiner Humor und ein Tier am Schlagzeug. Ingo machte mir anfangs durch sein Auftreten ordentlich Respekt und ich hielt mich lieber zurück mit vorwitzigen Sprüchen.

Ingo geht heute stramm auf die 60 zu und ist ein herzensguter Norder mit ordentlich Punk in der Seele.

 

Die Band, mit der ich in den Weserhallen probte, bestand aus Trommler, Sänger, Gitarrist, Keyboarder und mir. Wir probierten rum, hatten anfangs unseren Spaß, schafften es aus dem Proberaum aber nicht raus. Zu verschieden waren die Vorstellungen und wir beließen es bei dem Status der Feierabendband. Für mich war das in Ordnung. Ich hatte immerhin Gelegenheit meine Skills zu erproben und zu erweitern. Es war ein gutes Übefeld.

Immerhin nahm ich ein paar prägende Eindrücke wie Eric Serra, Computerspielmusik und Mike Oldfield und noch so ein zwei weitere Dinge mit. Das waren eher außermusikalische Eindrücke, die doch durch Musik unweigerlich Verbundenheit finden. Legenden, Mythen, Klischees.., anyway...

 

Parallel gesellte ich mich zu den offenen Sessions in den versch. Freizis in Nord. Ich war jetzt 16 oder 17 Jahre, kleidete mich in Lederkluft und hörte intensiv Led Zeppelin. Das ist bis heute so. Also, das mit Led Zeppelin. Die Lederhose paßt nicht mehr.

Im Rekumer Freizi hatten die Bluesrocker das Regiment fest in ihrer Hand. Hier lief ich auch Uli, einem späteren Oberstufenkollegen und passionierten Stevie Ray Vaughan- und Tom Waits Fan über den Weg.

In den Weserhallen waren es die Metaller. Im Freizi Alt-Aumund gab es einen bunten Mix aus Pop, Rock und Mitte der 90er übernahm dann die Hardcore-Fraktion das Alt-Aumunder. 

Die Jungs machten ordentlich Dampf und bereicherten die sonst eher blues- und metallastige Altherrenliga der Norder Szene ganz gut.

Es gab eine echte Vielfalt an Amateuerbands und semiprofessionellen Formationen zu dieser Zeit in Nord. Von Folk über Pop, Rock, Blues, Metal und Hardcore war so ziemlich alles dabei. Für jeden etwas. Die Freizis florierten eine Zeit lang richtig gut mit ihren versch. Festivals, die sie indoor oder als OpenAir veranstalteten. Die Norder Szene an Musikern blühte regelrecht und war ein Fundus für jeden Musikliebhaber und Konzertfreund. Es war echt was los, mann!

 

Durch meine regelmäßigen Besuche im Rekumer Freizi wurde eine Bluesformation auf mich aufmerksam. Die Jungs suchten einen neuen Basser und zeigten Interesse an mir. Ich war beeindruckt und fühlte mich geehrt, da die Jungs zum festen Kern der Norder Szene gehörten. Uwe, Mecki und Tobi waren alle drei älter. So wie das bei fast allen meiner Begegnungen auf musikalischer Ebene in Nord zu der Zeit war. Auf der Suche nach Vorbildern eben.

Nach erstem Beschnuppern und Vorspielen war die Bluesnummer gemachte Sache und ich Mitglied bei Dr. B & his Gigolos. Da kamen auch die ersten, größeren Liveauftritte mit ins Spiel und ich wuchs daran. Mein Gear ebenfalls. Ich brauchte einen größeren Amp (einen Warwickcombo) und neue Bässe gesellten sich in meinen Fundus. Dazu schreibe ich demnächst wirklich mal einen eigenen Blogbeitrag.

 

Die Probe- und Gigzeit mit Dr. B war eine wertvolle Schule und lehrreiche Zeit in allerlei Belang. Früher stand ich als kleiner Steppke vor den Bühnen auf dem Vegesacker Hafenfest. Jetzt stand ich auf ihnen. Meine Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit machten mich zum musikalischen Hans Dampf und die Sache ging sich ganz gut an. Durch Dr. B. knüpften wir auch Kontakt zur Osterholzer Szene. OHZ kannte ich eine Zeit lang lediglich durch das Rudern (Trainingslager) und das legendäre Stagge, einer Disko, die ein eigenes Kapitel wert ist.

Durch die Band Afterbruner erhielten wir Gigs in OHZ und umgekehrt schacherten wir ihnen in Nord was zu. Schön war das mit denen. Entweder machten wir Backstage auf dem Balkon über dem Loretta auf dem Hafenfest Quatsch oder hingen vor unseren Gigs vor der Bühne rum und unterstützen uns. So sah ich die Worpsweder Music Hall dann auch mal als Musiker von der Bühne und Willi alias Prinz Valium lief mir Jahre später öfter in Oldenburg über den Weg.

Cheers Männers!

 

Es gab damals neben der Musik- auch eine ziemlich ausgeprägte Kneipenszene im Bremer Norden. Ob es da wohl einen Zusammenhang gibt?! :)

Im Muddy hingen die älteren Blueser und Rocker ab. In der Pinte trafen sich die Ska- und Scooterfreunde. Im Lilackeller... tja, eine bunte Mischung aus trinkfesten Burschen und Rockern oder beidem und dann eine Kneipe, die schnell unserer zweites Zuhause wurde: das Pinökel oder auch kurz Pi.

Im Pi trafen sich Alte, Junge, Linke, Althippies, politisch Interessierte, Theaterleute und so weiter. Hier mischten sich die Szenen und hier trieb sich auch Olaf rum. Bildender Künstler und Musiker. Ich schloß ihn schnell in mein Herz. Und er mich. Schwups..., die nächste Band war geboren. Singer-Songwriter mit Folkeinflüssen und wir nahmen alles mit an Gigs, was sich anbot: Kleine, Größere, Strassenmusik und und und. Dazu kam eine CD-Produktion mit erster Studioerfahrung und ein unvergesslicher Jahrtausendwechsel hoch oben im Norden Dänemarks mit weiteren musikalischen Freunden. Wir musizierten uns ins neue Jahrtausend und spielten ein spontanes Kneipenkonzert irgendwo in Thisted/DK. 

 

Mit Günther, dem Sänger meiner ersten Band "Bonehouse", verband mich über Musik und Literatur schnell eine Freundschaft, die bis heute einiges hergibt an In- und Output. Günther war nach unserem Bandintermezzo später Sänger der Vegesacker Formation "Gastric Groove". Die Band bestand neben Matthias (Keys, Trp.) und Michael (Bass) aus Björn (Drums) und Chris (Git.). Sie spielten einen attraktiven Mix aus Groove Rock, Pop mit seichten Jazzambitionen. Das freute vor allem die weibliche Fraktion der Fans! Die Band war inspiriert durch Bands wie Dave Matthews, G. Love und Hendrix und kam bei einem breiten Hörerpublikum der Bremer Szene ziemlich gut an.


Ich haber echt nur wenig Bilder aus dieser Zeit. Hier ein paar Schnappschüsse. Bildquellen siehe Einzelbilder.


Ich war mittlerweile in der Oberstufe angekommen und das Abitur stand vor der Tür. Das lief alles nebenher. Ich hatte nur Musik im Kopf. Neben der zweiten und dritten Bassschule keimte der Bedarf nach Unterricht und Michael kam ins Spiel. Er war ein Jahrgang über mir in der Schule und spielte selber in einer Band in Nord (Ted Virgin, später Gastric Groove). Nachdem ich Andreas Lonardonis Lehrwerk durch hatte, nahmen Michael und ich uns Rock Bass als Grundlage für all meine Fragen.

Lonardonis Werk bezog ich aus der Stadtbibliothek in Blumenthal, Rock Bass legte ich mir für den Unterricht aus dem Handel zu. Durch den steigenden Anspruch der Werke öffnete sich der Blick für neue Stilistiken, Techniken und Spielweisen. Freunde wie Matthias, Günther und Michael aus der Schule, aber auch Kneipenbegegnungen erweiterten meinen musikalischen Horizont durch Hörtips und neben meinem Interesse an Rockmusik paarten sich die Wurzeln der afroamerikanischen Musik. Logisch, wer Blues mag, der ist auch nicht weit vom Funk, R'n B und Soul entfernt. Das bekam ich allmählich zu spüren.

Michael brachte mich auf Maceo Parker.

 

Meinen Basskoffer zierte eine Zeit lang eine Werbung des Urban Jazz Groove. Das war so um 1997. In der Bremer Musikerinitiative (MIB) in der Neustadt gab es alle paar Wochen - oder war es jedes zweite Wochenende? - den Urban Jazz Groove. Sebastian Kobs war damals einer der Resident-DJs auf diesen Veranstaltungen. Im Grunde war das ein bischen wie der Mojo Club in HH aufgezogen.

Im Bremer Bunker im Buntentorsteinweg konnten wir zu heißen Funkklassikern tanzen, die Kobs prima mixte. Von den hohen Decken hingen lange Laken oder weiße Leinwände, auf denen Dias bekannter Plattencover der 60er und 70er-Funkära projiziert wurden. Die Veranstaltung war zu dieser Zeit noch ein echter Geheimtip und hatte auf einige von uns aus Nord eine Sogwirkung. Wann immer wir konnten, kreuzten wir da auf und schlugen uns die Nächte um die Ohren. Die Veranstaltung zog dann Jahre später ein paar Mal um; in die umgedrehte Kommode und in die Nähe des Café Sand und die Weserterrassen, wenn ich mich richtig erinnere. Da hatte das Event leider seinen Reiz engebüßt und war mehr eine Hauptstromveranstaltung.

Sei's drum..., Ende der 90er rappelte es ordentlich in meinen Tieftoneingeweiden. Drei oder vier Bands gleichzeitig, Bassunterricht, das Üben im stillen Kämmerlein, Auftritte, Studioaufenthalte und Contests reihten sich in die Liste von nächtelangen Hörsessions meiner Vorbilder auf CD und Tape und neben zahlreichen Konzertbesuchen hiesiger Acts fuhr ich zunehmend auf Konzerte prominenter Bands.

 

Die langen Haare, Lederhose und Tarnjacke hatte ich gegen Urbanwaer, Baggypants und eine Kurzhaarfrisur eingetauscht. Für einige war es eine Glatze. Meine Eltern waren wieder mal unheimlich begeistert.

 

Im Pi etablierte Olaf das Sonntagscafé. Das war ein lockeres Zusammentreffen von Freunden, jenen, die es werden wollten und natürlich Musikern. Letztere belebten das Sonntagscafé mit ihrer Musik. Olaf lud zu jedem Mal eine neue Formation ein und Bands strickten ihr Programm kurzer Hand passend für die Rahmung um. Meist unplugged und zarter besaitet. Zu der Zeit konnte ich durch meine regelmäßigen Besuche im KITO Eberhard Weber erleben. Lest dazu gern auch meinen Blog aus "Lieblingsalben ... Soundtrack of my Life".

Weber entfachte in mir das Feuer für das Solobassspiel. Mein kleiner Freund, ein Digitechbodeneffekt mit 8sek. Delayfunktion stand mir treu zur Seite und kam zu Anlässen wie dem Sonntagscafé zum Einsatz. Ich war noch unsicher in meiner Rolle als Bassist und das Kind mit wenig Lust auf Bühne und Darbietung war immer noch ein bischen in mir. Die Auftritte mit den Bands waren mittlerweile einigermaßen Routine und meine Kollegen auf der Bühne gaben mir Rückhalt. Ein gutes Gefühl.

Solo zu spielen und dann auch noch mit dem Bass - einem Instrument, wo Du abliefern mußt, damit überhaupt einer zuhört - war vollkommen neu für mich. Die wohlgesonnene Rahmung des Sonntagscafés verlieh mir Mut und ich improvisierte ein Bassstück mit dem Delaygerät.

Heute heißt das loopen und die Technik ist soviel besser geworden, dass das Ganze noch mehr Spaß macht. Immer noch.


In der Oberstufe begegnete ich auch einem Typen einen Jahrgang unter uns. Langes Haar, alternativ gekleidet und der lief öfter mit nem Instrumentenkoffer durch die Schule. Musiker offenbar! Auf der jährlich organisierten musischen Woche der Schule in Alhorn lernten wir uns besser kennen und von dann an verband uns die Musik. Alex und ich wurden dicke Freunde. Eine emotional durchaus streitbare und leidenschaftliche Freundschaft. Hatten wir uns neben Musik auch viel im politischen Sinne zu berichten. Ach jaaaaaa.

Alex und ich trafen uns regelmäßig zum Musizieren und Musik hören. Zum Geburtstag schenkte er mir das Marcus Miller Live&More Album. Miller wurde zu einem Vorbild am Bass. Danke, Alex!

Mit ihm entdeckte ich auch Nils Landgren. Ich empfehle dazu meinen Blogbeitrag aus Lieblingsalben, Soundtrack of my Life.

 

Die Freundschaft mit Alex reicht weit bis in die Studentenjahre. Dann bricht sie tragisch, unerwartet und unwiederbringlich ab. Was bleibt sind unschätzbare gemeinsame Erlebnisse und Entdeckungen. Wir sind ein gutes Stückchen zusammen gegangen, haben mit unserer gemeinsamen Norder Band (Broszinski 7tett") an der Bundesbegegnung "JugendJazzt" teilgenommen und und und. Die Zeit um diese Band ist sicher noch einen eigenen Blogbeitrag wert.


'97 hatte ich mein Abi dann in der Tasche. Ich entschied mich für den Wehrersatzdienst, hatte mit einigen Mitstreitern bei der Musterung meinen Spaß, verweigerte, kam damit durch, bewarb mich beim ortsansässigen Paritätischen, bekam den Job und vor mir lag ein weiteres Jahr inniger Auseinandersetzung mit musikalischen Inhalten.

Die Arbeit im Zivildienst brachte mich der älteren Generation auf emotionaler Ebene näher und menschlich weiter. Eine gute Entscheidung. Während der Zivizeit wuchs sich der zaghafte Gedanke des Musikstudiums zur ernsthaften Absicht aus und ich bewarb mich an der Uni in Oldenburg für den Studiengang Musikwissenschaften.

Aus irgendeinem Grund war ich der Meinung, ich müsse mich darauf vorbereiten und ließ mir von Michael, meinem Basslehrer und von Markus, einem befreundeten Orchestermusiker, Abi- und Kindergartenkollegen einen Musiklehrer in vorzeitigem Ruhestand für Gehörbildung empfehlen. Dass später noch sein Sohn Martin als Geiger zur Singer-Songwriter-Formation um Olaf dazu kam, war eine glückliche Fügung. Martin war menschlich wie künstlerisch eine Bereicherung für die Formation.

 

Einmal die Woche fand ich mich bei Martins Vater zur knapp zweistündigen Ausbildung in Theorie und Gehörbildung ein. Klassische Harmonielehre, der homophone Satz, Zwölftonmusik, Analyse bekannter klassischer, aber auch popularmusikalischer Werke und eben die Gehörbildung beschäftigten mich neben Grünem Tee und Kuchen an diesen Nachmittagen. Mehrere Mappen habe ich handschriftlich gefüllt in diesen Monaten und nach einem Jahr fühlte ich mich gewappnet für das Studium. Die Mappen liegen hier immer noch rum.

Wie sehr ich von diesen Privatstunden im Studium, aber auch menschlich und künstlerisch profitieren sollte, würde ich in den nächsten Jahren dankbar immer wieder spüren. Rückblickend würde ich sagen, sind das alles gewinnbringende Investitionen gewesen. Von wegen Flausen im Kopp mit dem Gedudel.

Zu Hans, besagtem Lehrer, verband mich auch Jahre nach dem Unterricht eine tiefe Verbundenheit.

Er war es, der mich auf Nada Brahma von J.-E. Berendt brachte. Ich begann das Gras wachsen zu hören. Zumindest dachte ich das. In mir keimte der späte Werther auf und der Zauberlehrling in mir schwang seinen musikalischen Zauberstab. 

Später im Studium setzte ich mich kritisch mit Berendts Werk auseinander. Was geblieben ist, ist der Zauber um seine Idee. Zu der Zeit waren es Berendt, Tolkien und Miles Davis, die zu meinem inneren Kompass wurden. Eine Triebfeder mit ordentlich Sprungkraft und Spannung!


Eine Playlist aus meinem Spotifyprofil ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ein Songquerschnitt durch die Bandbreite der Bands und Künstler, die mich damals besonders beschäftigten. Ich habe mich für eine zeitlich chronologische Sortierung entschieden. Damit steht Rod Steward tatsächlich für die Anfänge meines bewußten, selbstgewählten Musikkonsums und mit Maceo endet die erste Station um Ende 1990. Led Zeppelin muss natürlich überproportional auftauchen in der Liste. :)

 

Viel Spaß beim Hören!


Im Grunde läßt sich meine Musikwerdung in drei Phasen einteilen. Die erste Phase endet mit meiner aktiven Zeit im Bremer Norden und dem Beginn des Studiums.

Von da an beginnt die zweite Phase mit der Zeit um das Studium.

Danach lösen sich studentisch-musikalische Verbindlichkeiten langsam auf und die dritte Phase beginnt. Sie dauert bis in die Gegenwart und erscheint mir zu jung, als heute schon groß darüber zu berichten.

 

Im nächsten Teil meiner kleinen Reise löse ich mich allmählich aus der Szene im Bremer Norden und steige in die musikalisch-studentische Szene Oldenburgs ein. Um das alles zu fassen und zu bündeln brauche ich noch ne Weile.

  

Cheers und stay grooved!

Ausatmen... :)


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