Nun ist er aufgefahren in die musikalischen Sphären zu all den bereits Gegangenen. Er gesellt sich dazu und wird Jimi, Miles, Prince und all den sowieso schon brillianten Künstlern und Künstlerinnen noch mehr Magie einhauchen. Quincy Jones zählt neben Herbie Hancock und Miles Davis zu jenen Artists des Jazz, die einen großen Impact auf Musik hatten. Nur wenige prägten, begleiteten oder schufen derartig viele neue Stile, hatten den richtigen Riecher zur richtigen Zeit, trafen den musikalischen Nagel auf den Kopf und schufen sich so ihren ganz besonderen Platz in der Musikwelt. Quincy gehört fest dazu. Keine Frage.
Ob Big Band, Jazz Combo oder poppiger Groovejazz mit nem fetten Sack voll Soul und Disco... Quincy Jones war ein musikalisches Chameleon. Bei aller Wandlungsfähigkeit schuf er in den späten 1970er/frühen80er Jahren eine Sound- und Instrumentencharakteristik, die ihresgleichen sucht. Sein Sound wurde eine Marke, ähnlich wie bei Produzenten Trevor Horn oder Phil Spector.
Ihr könnt es raushören, wenn ihr Michael Jacksons "Thriller"- oder "Bad"album hört. Hier tauchen ähnliche Arrangements wie bei "The Dude" auf und Instrumente mit ihrer Klangcharakteristik kommen wiederholt zum Einsatz. Quincy prägt so nicht nur seinen Stil im allgemeinen; er branded und schöpft zusammen mit Rod Temperton quasi eine neue Sparte oder Stilistik: afroamerikanische Einflüsse verquicken sich mit weißen Pop- und Rockelementen. Dies gelingt Quincy obendrein, weil er sich nicht nur auf schwarze Musiker beschränkt, sondern setzt gekonnt und ausgewählt auch auf weiße Instrumentalisten wie Steve Lukather oder Eddi van Halen.
Die sich zwangsläufig ergebende bunte Mischung und Vermengung versch. Stile und musikalischer Stereotype macht sich später Michael Jackson sowohl live, als auch im Studio mithilfe von Jennifer Batten und Slash zu Nutze. Sie greifen für Michael rockig in die Saiten. Simpel gesagt ein geschickter Zug, denn so wird die Reichweite der Hörerschaft erhöht.
Dass dazu allerdings ganz nebenbei und vor allen Dingen ein politisches Statement gesetzt wird, erscheint hingegen bedeutungsvoller: Musik kennt keine Hautfarbe und Grenzen. Musik funktioniert über politische Schranken im Kopf und nutzt die natürliche Vielfalt zur Entfaltung und Innovation. Der inflationär verwendete Modebegriff der sogenannten kulturellen Aneignung wird hier sanft weggegroovt.
Quincy Jones durchbrach diese Grenzen und schuf Werke von zeitlosem Charakter.
So ist es auch mit "The Dude", seinem Album- und Studioprojekt aus den frühen 80ern. Es wurde 1981 veröffentlicht. Knapp zwei Jahre nach "Off the Wall" und ein Jahr vor "Thriller". Damit antizipiert Quincy im Grunde jene Sounds, die millionen Hörern und Hörerinnen ein Jahr später in "Thriller" wieder begegnen.
Der Mix und Satz der Horns, die wurstigen Synthbässe, die Claps auf die 4 ..., alles DIE Quincyelemente; stilprägend und absolut charakteristisch.
Persönliches Intermezzo
Quincy Jones begenete mir das erste mal im "Bad"-Album von Michael. Ich war bei Alben damals schon interessiert an den Liner Notes und Auflistungen der beteiligten Mitwirkenden. Die Lyrics las ich immer als letztes. Ist heute noch so. :)
Dann begenete mir Quincy - der Blick geschärft durch weitere Michael-Alben - immer wieder: zum Beispiel in der Sortierung im Plattenladen. Bei EAR in Vegesack stieß ich damals auf das Album "Q's Jook Joint". Das Cover mit dem leuchtenden Albumtitel und diesem so unglaublich cool wirkenden Typen auf dem Bildensemble nahm mich gefangen. Reingehört habe ich erst später in das Album.
Wieder war es auch Matthias, mein Kumpel aus der Schule, der mich mehr an die Musik und den Menschen Quincy Jones heranführte.
"Hicky Burr" begegnete mir auf einem Mojo Club Sampler. Mich begeisterte dieser irre Groove mit den Nonsens-Vocals und dem Ohrwurmhornthema. Einfach gail! Getanzt haben wir dazu beim Bremer "Urban Jazz Groove" im Buntentorsteinweg. Props an Sebastian Koobs!
Erst viele, viele Jahre später lange ich bei einem Vinylkauf zu und nahm gleich mehrere auf einen Streich: zwei Alben der Brothers Johnson, "The Dude", "Back on the Block", und das Sinatra Album "L.A. is my Lady" und "I've got it bad". Auf dem Album "I've got it bad" bekam ich mit dem beginnenden Orgelgroove auf "Summetime" einen irren Flash. Die Orgel kanne ich als Sample von einem Track der Bassline Generation. Er heisst "Soul 2001" und das Sample startet bei Minute 1:05. Leider ist der Titel in meinem Streamingdienst nicht mehr zu finden. Auch auf YouTube hatte ich Pech mit der Suche.
Sei's drum. Auf jeden Fall hatte ich beim Hören von "Summertime" sofort einen Backflash und musste an die Studentenzeit, die WG und mein Eintauchen in die elektronische Musik denken.
Auf "The Dude" ist einiges am Start: zerreissend schöne Balladen, Disco, poppiger Soul mit zündenden Grooverhythmen, ..., alles einfach extrem angenhem zu hören. Mix, Sound und Arrangement sind stimmig, funktionieren perfekt zusammen und schaffen ein liebevoll abgestimmtes Werk.
Das Klangbild wirkt ausgewogen, luftig und trotzdem bleiben beim Hören keine Lücken oder irgendwelche Wünsche offen. Der Begriff der Perfektion ist ohnehin in jedweder Hinsicht mit Vorsicht zu verwenden; in allen Lebenslagen. Aber hier sind wir einfach nah dran. Jedes Stück auf der Platte macht Spaß zu hören. Nichts dabei, was langweilt oder öde klingt.
Einige der Songs sind von Rod Temperton geschrieben. Die Titel gleiten smooth durch die Ohren und sind doch mitreißend.
Patti Austin, die frühe Entdeckung Quincys, übernimmt auf dem Album bei beinahe allen Stücken den Lead Gesang. Bei "The Dude" begleitet Michael die Backgroundvocals. Steve Lukather, Louis Johnson, Herbie Hancock, Toots Thielemans und Stevie Wonder bilden das prominente "Who is Who" auf dem Album und unterstützen das übrige Line Up mit ihren Markenzeichen. Bei Thielemans die Harp, bei Stevie sind es die Keys/Synths usw.
"The Dude" ist damals vielfach mit Grammys ausgezeichnet worden und dabei ursprünglich lediglich das abgearbeitete Produkt einer schnöden Vertragsverpflichtung bei dem Label A&M. Dass daraus so ein brillianter Wurf wurde, mag auch den Labelbesitzern Herp Alpbert und Jerry Moss sehr gefallen haben. In dieser Zeit avanciert das ursprüngliche Independent-Label zum Bigplayer. Nicht zuletzt, weil A&M "We are the World" herausbringt.
"The Dude" fällt in die goldene und facettenreiche Zeit der Popmusik. Die 80er sind auch geprägt von New Wave und dem bewußt rohen Punk. So haben wir in den 80ern im Grunde mindestens zwei Lager, fast Parallelwelten, die kontrapunktisch zu einander stehen und doch eines gemeinsam haben: sie sind Musik. So simpel es klingt.
Glitzer und Glam sind in dne 70ern durchdekliniert. Die 80er schaffen eine neue Vielfalt mit einem breiten Bewußtsein für farbenreiche Stilistiken, Strömungen und Gesinnungen. "Schnee" von gestern? Von wegen. Viele 80er-Nummern funktionieren heute nach wie vor. Auch als Original ohne unnötig aufpoliertes Remixding.
Schaut auch Nile Rodgers, Madonna, Prince, Michael, Huey Lewis & the News, ... an.
Und hört unbedingt in den Dude rein, falls nicht schon längst geschehen! :)
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